Weihnachtsgeschichte 2011

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Weihnachtsgeschichte 2011

von admin am 07.12.2018 14:04

Weihnachtsgrüsse 2011

 

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Weihnachtsgrüsse 2011
von Elviera » Samstag 24. Dezember 2011, 15:45
Ihr Lieben alle,
es ist wieder so weit, und wie jedes Jahr sitze ich im Büro meiner Werkstatt und resümiere noch ein wenig bevor ich zum gemütlichen Teil übergehe.
War der Vormittag noch recht hektisch, so liegt nun wieder die altbekannte Stimmung über allem und man kann deutlich spüren, die Nacht der Wunder steht wieder mal kurz bevor,
Es ist die Nacht, in welcher alles möglich ist, ich hatte ja schon öfter davon berichtet, und so wie in der Vergangenheit auch möchte ich Euch heute zu Weihnachten eine Geschichte erzählen.
Und wie immer handelt sie vom Geist der Weihnacht, einem Geist, wie er nur in der Nacht der Wunder herrscht.
Diesesmal ist es eine säkularisierte Weihnachtsgeschichte, in welcher die Frohe Botschaft, von der in der Heiligen Nacht überall geredet auf eine ganz andere Weise verkündet wird.
Auf eine ganz besondere viel ehrlichere Art.
Schaut nur genau hin, es ist fast alles da, der Erlöser, die Erlösung, Maria und Josef, der Heiligenschein. Die Hirten fehlen allerdings, wie auch der Ochs. Aber der Esel ist da und die Sterne leuchten ebenfalls. Sogar ein Licht, dem die heiligen drei Könige folgen konnten, kommt darin vor.
Die Engel, welche mit ihren Posaunen die frohe Botschaft zu verkünden hatten sind auch ausgeblieben, denn es gab keine frohe Botschaft. Deutschland und viele andere Länder Europas waren völlig am Ende.
Es wird wohl der Hungerwinter 1946/47 gewesen sein.
Aber die heiligen drei Könige waren gekommen, erbärmliche Gestalten, verwundet an Körper und Seele. Könige aber waren sie trotzdem, denn sie haben dem Kind ihre Aufwartung gemacht und haben gegeben was sie geben konnten. Das Wertvollste was sie besaßen.
Schließlich war Weihnachten, die Nacht der Wunder, einer Nacht, in welcher alles möglich ist. Einer Nacht, in welcher auch Bettler zu Königen werden können.
Wie das?
Nun der Geist der Weihnacht macht sie dazu. Lest nur selbst.

Aber man muss es schon zulassen können, und sich diesem Geist öffnen, nur dann geschieht das Wunder.
Einer ist in dieser Geschichte dem das nicht gelungen ist, denn die Angst und Unsicherheit was wohl werden wird in der Zukunft hat ihn verschlossen.
Ganz besonders ist es die Angst, sich selbst die Angst einzugestehen.
Dabei ist doch unschwer zu erkennen, dass der Mann Angst hatte. Man merkt es an seiner Neigung zu körperlicher Gewalt was immer ein Ausdruck von großer Verzweiflung ist. Das aber wiederum zeugt davon, dass er seine Gefühle verdrängt statt sich ihnen zu stellen.

Ãœbrigens, alle in der Geschichte sind mit nur einem Geschenk bedacht worden, nur der Mann hat zwei bekommen.
Die Zigarette und ein noch viel wertvolleres Geschenk, nämlich die Lektion, dass man nicht vor seinen Gefühlen weglaufen kann, ganz besonders nicht in schwierigen Situationen.
Das war wohl von allen Geschenken das Wertvollste, was die heiligen drei Könige gemacht haben.
Ob es der Mann wohl verstanden hat? In der Geschichte jedenfalls bleibt es offen.
Aber es war die Nacht der Wunder, da ist alles möglich.

Euch allen ein gesegnetes Weihnachtsfest und ein frohes Neues Jahr.

Elviera Werners

Die drei dunklen Könige
von Wolfgang Borchert, nacherzählt von Elviera Werners

Er ging durch die dunkle Vorstadt. Die Häuser standen zerbombt gegen den Himmel. Der Mond fehlte, und das Pflaster war erschrocken über den späten Schritt. Dann fand er ein altes Brett. Da trat er mit dem Fuß gegen, bis es morsch knirschte und losbrach. Das Holz roch modrig und süß. Durch die dunkle Vorstadt tappte er zurück. Sterne waren nicht da.

Als er die Tür aufmachte sahen ihm die blaßblauen Augen seiner Frau entgegen. Sie kamen aus einem müden Gesicht, und ihr Atem hing weiß im Zimmer, so kalt war es geworden im zweiten Nachkriegswinter. Er beugte sein knochiges Knie und brach das Holz, welches aufseufzte. Dann roch es morsch und süß ringsum. Er hielt sich ein Stück davon unter die Nase. Es riecht beinahe wie Kuchen, lachte er leise. Nicht, sagten die Augen der Frau, nicht lachen. Es schläft.

Der Mann legte das süße, morsche Holz in den kleinen selbstgebauten Ofen und es glomm auf und warf eine Handvoll warmes Licht durch das Zimmer. Dieses Licht fiel hell auf ein winziges rundes Gesicht und blieb einen Augenblick. Das Gesicht war erst eine Stunde alt, aber es hatte schon alles, was dazu gehört: Ohren, Nase, Mund und Augen. Die Augen mußten groß sein, das konnte man sehen, obgleich sie noch zu waren. Aber der Mund stand offen, und es atmete leise daraus. Nase und Ohren waren rot. Er lebt und es geht ihm gut, dachte die Mutter. Und das kleine Gesicht schlief selig.

Da sind noch Haferflocken, sagte der Mann. Ja, antwortete die Frau, das ist gut. Es ist kalt. Der Mann nahm noch von dem süßen, weichen Holz. Nun hat sie ihr Kind gekriegt und beide müssen frieren, dachte er.
Aber er hatte keinen, dem er dafür die Fäuste ins Gesicht schlagen konnte.
Als er die Ofentür aufmachte, fiel wieder eine Handvoll Licht über das schlafende Gesicht. Die Frau sagte leise: Schau nur, wie ein Heiligenschein, siehst du? Heiligenschein! dachte er, und er hatte keinen, dem er die Fäuste ins Gesicht schlagen konnte.
Dann waren welche an der Tür. Wir sahen das Licht, sagten sie,. wir wollen uns einige Minuten hinsetzen und uns aufwärmen. Aber wir haben ein Kind, sagte der Mann zu ihnen. Da sagten sie nichts weiter, aber sie kamen doch ins Zimmer, stießen weißen Nebel aus den Nasen und traten vorsichtig ein. Wir sind ganz leise, flüsterten sie und hoben die Füße hoch und setzten sie ganz sacht wieder au. Dann fiel das Licht auf sie. Drei waren es. In drei alten verschlissenen Uniformen. Einer hatte einen Pappkarton, der Andere einen Sack, und der dritte- der hatte keine Hände.
Erfroren, sagte er, und hielt die Armstümpfe hoch. Dann drehte er dem Mann die Manteltaschen hin. Tabak war drin und dünnes Papier. Sie drehten sich Zigaretten, aber die Frau sagte: Nicht, das Kind. Da gingen die vier vor die Tür, und ihre Zigaretten waren vier leuchtende Punkte in der Nacht.
Der eine hatte dick bandagierte Füße. Er nahm ein Stück Holz aus einem Sack. Ein Esel, sagte er, ich habe sieben Monate daran geschnitzt. Für das Kind. Wie er das sagte, gab er es dem Mann. Was ist mit den Füßen? fragte der Mann. Wasser, sagte der Eselschnitzer, vom Hunger. Und der andere, der dritte? fragte der Mann und befühlte im Dunkeln den Esel. Der dritte zitterte in seiner Uniform: Oh, nichts weiter, wisperte er, das sind nur die Nerven. Man hat eben zuviel Angst gehabt. Dann traten sie die Zigaretten aus und gingen wieder hinein.
Sie hoben vorsichtig die Füße hoch, sahen auf das kleine schlafende Gesicht, und der Zitternde nahm aus seinem Pappkarton zwei gelbe Bonbons und sagte dazu: Für die Frau sind die.
Die Frau machte die blassen Augen weit auf, als sie die drei Dunklen über ihr Kind gebeugt sah, denn sie fürchtete sich. Aber da stemmte das Kind seine Beine gegen ihre Brust und schrie so kräftig, dass die drei Dunklen wieder die Füße aufhoben und zur Tür schlichen. Hier nickten sie nochmal, dann verschwanden sie in der Dunkelheit der Nacht.
Der Mann sah ihnen nachdenklich geworden nach. Sonderbare Heilige, sagte er zu seiner Frau. Dann machte er die Tür zu. Schöne Heilige sind das, brummte er, und sah nach den Haferflocken. Aber er hatte kein Gesicht für seine Fäuste.
Aber das Kind hat geschrieen, flüsterte die Frau, ganz stark hat es geschrieen, da sind sie gegangen. Schau nur, wie lebendig es ist, sagte sie stolz und froh. Das Gesicht machte den Mund auf und schrie.
Weint er? fragte der Mann. Nein, ich glaube, er lacht, antwortete die Frau.

Beinahe wie Kuchen, sagte der Mann und roch an dem Holz, ganz süß, wie Kuchen.

Heute ist ja auch Weihnachten, sagte die Frau.

Ja, Weihnachten, brummte er, und vom Ofen her fiel eine Handvoll Licht auf das kleine schlafende Gesicht.

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